Kreditversicherer Euler Hermes | Risikobewertung für Länder und Branchen
Hamburg, 07.08.2018 15:17 Uhr (Wirtschaftsredaktion)
Die Allianz Tochter Euler Hermes sieht die größten Risiken in der Papier-, Transport-und Textilbranche. Gründe sind die hohe Verschuldung und der Strukturwandel.
Seit Jahren bewegt sich die Verschuldung von börsennotierten Unternehmen außerhalb des Finanzsektors auf Rekordniveau. Dank guter Umsätze und Gewinne ist 2017 die Nettoverschuldungsquote (Net Gearing Ratio) jedoch weltweit erstmals wieder gesunken. Sie fiel um 3,2 Prozentpunkte (pp) auf 53 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Corporate Debt“ des Kreditversicherers Euler Hermes.
Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes: "Die Bilanzen der Unternehmen hatten zuletzt Rückenwind durch satte Gewinne. Die insgesamt hohe Verschuldung könnte dennoch einigen Unternehmen zum Verhängnis werden. Die Papier-, Transport- und Textilbranche weisen nicht zuletzt aufgrund des Strukturwandels und großen Investitionsbedarfs einen brisanten Mix aus hoher Verschuldung und steigenden Risiken auf."
Klimawandel, steigende Umweltanforderungen, Digitalisierung, veränderte Kundenbedürfnisse und Geschäftsmodelle oder schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie ein teilweise starker Wettbewerb stellen Unternehmen und ihre Lieferanten vor große Herausforderungen.
Transportbranche: wenig Puffer, großer Investitionsbedarf - Schifffahrt im Fokus
Strukturwandel, geringe finanzielle Puffer, steigende Ölpreise, Wetterrisiken und hohe Schulden plagen die Transportbranche. Die Verschuldungsquote der größten Unternehmen in der Transportbranche liegt weltweit durchschnittlich bei 144 Prozent. Der Cash-Flow ist branchenweit schwach, sodass ein schneller Abbau der Schuldenberge derzeit auch nicht in Sicht ist.
Insbesondere in der Luftfahrt und der Schifffahrt stieg die Verschuldung sogar noch deutlich an, weil die Unternehmen ihre Flotten erneuern oder zuletzt erneuert haben. Vor allem die Schifffahrt steht seit Jahren unter Druck, ihre Schiffe zu erneuern, um ihre Margen angesichts steigender Ölpreise bei gleichzeitig hohem Verbrauch zu sichern. Neue Schiffe versprechen aufgrund ihrer Größe und einem niedrigeren Verbrauch eine größere Kosteneffizienz.Steigende Umweltanforderungen im Zuge des voranschreitenden Klimawandels werfen jedoch bereits weitere Schatten voraus.
Papierbranche: Höchste Verschuldung und Risiken - gemischte Aussichten für Segmente
Die kapitalintensive Papierbranche hält den Negativrekord bei der Nettoverschuldungsquote. Die größten Player der Branche sind bei der Betrachtung von Risiken am aussagekräftigsten, da sie aufgrund ihrer Größe bei Ausfällen die größten Schäden verursachen würden. Deshalb betrachtet die Studie jeweils die Top 25 Prozent der jeweiligen Branche weltweit. Die Verschuldungsquote in der Papierbranche liegt in diesem Segment weltweit durchschnittlich bei 172 Prozent. Hinzu kommt ein schwacher Cash Flow. Unternehmen aus der Papierbranche bräuchten bei ihrer Verschuldung über 12 Jahre, um diese aus der laufenden operativen Tätigkeit zurückzuzahlen (Cash-Flow Koeffizient von 12,4).
Die Risiken sind über die Länder hinweg fast identisch, variieren jedoch innerhalb des Segments. Steigende Energiepreise stellen die energieintensive Branche vor Probleme. Hoch spezialisierte Unternehmen in Nischensegmenten haben durch ihre Marktmacht allerdings größere Chancen, steigende Kosten an Kunden durchzureichen. Im Drucksektor kommen jedoch zusätzliche Herausforderungen durch die Anforderungen der Digitalisierung hinzu. Der demografische Wandel spielt hingegen der Verpackungs- und Zellstoffsparte in die Hände. Hier erwarten wir in den kommenden Jahren stetiges Wachstum, was im Gegenzug den Schuldenberg mit der Zeit verringern sollte.
Textilindustrie: Schuldenberge, starker Wettbewerb und veränderte Kundenbedürfnisse
In der Textilindustrie kämpfen Unternehmen ebenfalls mit einer Nettoverschuldungsquote, die bei den größten Branchenunternehmen bei 144 Prozent liegt. Zudem ist der Cash-Flow schwach und Unternehmen brauchen überdurchschnittlich lange, ihre Schulden aus dem laufenden Geschäft zurückzuzahlen. Strukturelle Risiken sind ebenfalls hoch, vor allem durch einen starken Wettbewerb, der auf die Margen drückt. Aber auch veränderte Kundenbedürfnisse spielen eine Rolle bei den signifikanten Risiken der Branche.
Vorsicht Schuldenkönige: Portugal, Türkei, Griechenland und Spanien
"Regional sind Portugal, die Türkei, Griechenland und Spanien die Schuldenkönige“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Deutsche Exporteure sollten hier also genau hinschauen, mit wem sie Handel betreiben. Das kann teilweise mit hohen Zahlungsrisiken verbunden sein - zumal die Zahlungsmoral in diesen Ländern eher schlecht ist. In der Türkei kommt ein Währungsrisiko hinzu. Unternehmen sind vor allem in US-Dollar oder Euro verschuldet. Mit der massiven Abwertung der türkischen Lira seit Jahresbeginn wird die Rückzahlung fälliger Kredite teilweise sehr teuer und entsprechend schwer zu stemmen. Bereits jetzt sehen wir dort eine steigende Zahl an Pleiten und gehen deshalb 2018 von einem Anstieg der Insolvenzen um 5 Prozent aus.“
Im Gegenzug sind Unternehmen in Afrika (38 Prozent), Australien (41 Prozent), Hongkong (42 Prozent), Polen und Großbritannien (je 43 Prozent) weniger stark verschuldet als der weltweite Durchschnitt.
(Quelle: Euler Hermes ist nach eigenen Angaben weltweiter Marktführer im Kreditversicherungsgeschäft und anerkannter Spezialist in den Bereichen Kaution, Garantien und Inkasso. Das Unternehmen verfügt über 100 Jahre Erfahrung und bietet seinen Kunden umfassende Finanzdienstleistungen an, um sie im Liquiditäts- und Forderungsmanagement zu unterstützen. Über das unternehmenseigene Monitoring System verfolgt und analysiert Euler Hermes täglich die Insolvenzentwicklung kleiner, mittlerer und multinationaler Unternehmen. Insgesamt umfassen die Expertenanalysen Märkte, auf die 92 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen.)
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