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Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilien - Bank kassierte zu Unrecht

Berlin, 15.08.2008 18:07 Uhr (redaktion)

Haus- und Wohnungsverkäufer müssen für die Ablösung noch nicht getilgter Darlehen möglicherweise viel seltener als bisher eine Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gung an die Bank zahlen. Ein Urteil des Landgerichts München I verbessert ihre Chancen im Streit mit dem Kreditgeber. Die Commerzbank muss jetzt 360 000 Euro an eine Ex-Kreditkundin zurückzahlen. Doch die Bank will in Berufung gehen. test.de erklärt das Urteil und gibt Tipps.

Nicht nur der Kauf einer Immobilie ist teuer. Auch der Verkauf ist mit mehr oder weniger hohen Kosten verbunden. Ein großer Posten auf der Abrechnung ist meist die Vorfälligkeitsentschädigung. Die Bank hat Anspruch auf entgangenen Gewinn, wenn ein Darlehen noch nicht getilgt ist und vor Ablauf der Zinsbindungsfrist wegen eines Verkaufs der Immobilie gekündigt wird. Es geht um viel Geld. Selbst bei einfachen Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern macht die Vorfälligkeitsentschädigung je nach Restschuld, -laufzeit und Zinssätzen oft viele Tausend Euro aus. Besonders hoch fiel sie bei der Klägerin aus. Sie wollte aus ihrem Grundbesitz mehrere wertvolle Immobilien für etwas mehr als 10 Millionen Euro verkaufen. 360 000 Euro Vorfälligkeitsentschädigung verlangte die Commerzbank AG für die Ablösung der drei Darlehen mit einer Restschuld von insgesamt knapp 4 Millionen Euro, mit der die Frau den Erwerb der Immobilien seinerzeit finanziert hatte.

Die Immobilienkäuferin bot der Bank an: Der Käufer der Grundstücke, ein Immobilienunternehmen mit einwandfreier Bonität, übernimmt die bestehenden Darlehen, statt selbst neue Verträge abzuschließen. Doch die Bank weigerte sich. Notgedrungen nahm der Grundstückskäufer zur Finanzierung neue Darlehen auf - unter anderem auch eins über zwei Millionen Euro bei der Commerzbank. Um den Grundstücksdeal nicht zu gefährden, zahlte die Verkäuferin zunächst die Vorfälligkeitsentschädigung, forderte die Bank jedoch umgehend zur Rückzahlung auf. Die Commerzbank weigerte sich. Ihr stehe die Entschädigung für die Ablösung des Darlehens zu, argumentierten die Juristen des Instituts. Die Frau zog daraufhin vor Gericht.

Dort erlitten die Bank-Juristen Schiffbruch. Die Bank müsse den von der Kreditkundin vorgeschlagenen Ersatz-Vertragspartner akzeptieren, urteilte Handelskammer-Vorsitzender Günter Prechtel. Voraussetzung dafür: Der Kreditkunde hat wegen des Verkaufs des Grundstücks ein berechtigtes Interesse daran, sich vom Darlehensvertrag zu lösen, und der Käufer des Grundstücks als Ersatz-Kreditnehmer eine mindestens ebenso gute Bonität. Der Bank sei dann zuzumuten, den Käufer als Ersatzkreditnehmer zu akzeptieren. Laut Urteilsbegründung stellt sich die Vorfälligkeitsenschädigung in dieser Konstellation als ungerechtfertigte Bereicherung dar. Die Bank habe keinen Anspruch auf doppelten Gewinn für der Sache nach ein und dieselbe Finanzierung. Über die Vorfälligkeitsentschädigung enthält sie den vollen Gewinn für das ursprüngliche Darlehen und erziele weitere Gewinne, wenn sie frei neue Kreditverträge für die Finanzierung desselben Grundstücks abschließen dürfe.

Die Commerzbank AG werde gegen das Urteil Berufung einlegen, erklärte Monika Arens, eine der Sprecherinnen des Unternehmens. Branchenweit geht es um viele Milliarden Euro. Erstritten hat das Urteil Rechtsanwalt Alexander Heinrich von der Kanzlei Tilp Rechtsanwälte in Kirchtellinsfurt bei Tübingen und Berlin. Aus seiner Sicht gilt die Argumentation des Gerichts nicht für gewerbliche, sondern auch für private Immobiliengeschäfte. Wenn der Käufer bereit ist, ein bestehendes Darlehen zu übernehmen und seine Bonität mindestens so gut ist wie die des ursprünglichen Darlehensnehmers, müsse die Bank dies akzeptieren und dürfe keine Vorfälligkeitsentschädigung kassieren, erklärt er.

Wenn sich die Linie des Landgerichts Münchens durchsetzt, dürften sich Immobilienverkäufer die Vorfälligkeitsentschädigung oft sparen können. Indirekt können auch Käufer profitieren. Sie können im Gegenzug für die Bereitschaft zur Übernahme des bestehenden Darlehens über einen Preisnachlass verhandeln. Offen lässt das Landgericht München in seinem Urteil, ob bei der Übernahme des Darlehens die Konditionen angepasst werden dürfen oder müssen. Normale Folge einer Schuldübernahme: Der neue Schuldner tritt im bestehenden Vertrag an die Stelle des ursprünglichen Schuldner. Bei Baufinanzierungsverträgen heißt das: Rate, Zinssatz und Nebenbedingungen wie etwaige Sondertilgungsrechte bleiben unverändert. Der Zeitpunkt für das Auslaufen der Zinsbindung hängt vom ursprünglichen Vertragsschluss ab.

Landgericht München I, Urteil vom 24. Juli 2008
Aktenzeichen: 16HK O 22814/05

(Quelle: test.de)

www.test.de

 

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