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Martin Wansleben und Volker Treier vom DIHK zur Frühsommer-Konjunkturumfrage

Berlin, 16.06.2008 18:42 Uhr (redaktion)

Statements zur Frühsommer-Konjunkturumfrage von Martin Wansleben, DIHK-Hauptgeschäftsführer und Volker Treier, DIHK-Chefvolkswirt.

Der Aufschwung zeigt sich bislang erfreulich widerstandsfähig. Nach einem fulminanten ersten Quartal rechnet der DIHK für 2008 insgesamt mit einem Wachstum von 2,3 Prozent. Die Anzahl der Erwerbstätigen erhöht sich in diesem Jahr um 500.000. In den nächsten 12 Monaten verliert der Aufschwung jedoch deutlich an Fahrt. 2009 wird es wohl angesichts dieser Tempoverringerung nur noch für eine „schwache 1“ vor dem Komma reichen.

Der Export war in den letzten vier Jahren die wichtigste Konjunkturstütze. Im Frühsommer 2008 zeigt die IHK-Konjunkturumfrage bei mehr als 20.000 Unternehmen allerdings, dass gerade der Export sich in den nächsten Monaten merklich abkühlt. Der inländische Konsum kann trotz des Beschäftigungsaufbaus diese Lücke nicht füllen. Die zu hohe Mehrwertsteuer, die gestiegenen Öl- und Lebensmittelpreise sowie die kalte Progression machen sich eindeutig bemerkbar. Vor allem die nach wie vor relativ hohen Investitions- und Einstellungspläne der Unternehmen lassen allerdings einen Wachstumseinbruch unwahrscheinlich erscheinen. Dies bestätigen auch die leicht positiven Erwartungen der Banken für das Kredit- und Anlagengeschäft. Sie weisen zugleich daraufhin, dass die Finanzmarktkrise die Finanzierungsspielräume nicht so stark wie vielfach befürchtet einschränkt.

Bei den Geschäftserwartungen der Unternehmen hat sich der Saldo aus „Besser“- und „Schlechter“-Meldungen von zehn auf sechs Punkte gegenüber Jahresbeginn verringert. Gleichwohl ist die Gruppe der Unternehmen, die gleich bleibende Geschäftserwartungen haben, mit 60 Prozent noch nie so hoch gewesen. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass der guten Konjunkturentwicklung in den kommenden 12 Monaten nicht der jähe Absturz folgt.

Bei den Unternehmen verfestigt sich zugleich die Einschätzung, dass die Finanzmarktkrise nicht nur die US-Konjunktur abbremst, sondern auch auf andere wichtige Exportmärkte übergreift. Dies gilt insbesondere für Großbritannien, Spanien und Italien, aber auch für Asien, wo Überhitzungstendenzen hinzukommen. Die relativ hohen inländischen Investitionsund Beschäftigungsabsichten der Unternehmen in Deutschland lassen den Schluss zu, dass die Unternehmen in diesem schwierigeren außenwirtschaftlichen Umfeld auf ihre deutlich gestiegene Wettbewerbsfähigkeit setzen.

Die Belebung am Arbeitsmarkt geht auch in diesem Jahr noch weiter. Vor allem der Mittelstand erweist sich im Frühsommer 2008 als Rückgrat des Arbeitsmarktes. Er schafft in diesem Jahr 80 Prozent des Beschäftigungsaufbaus. Gefahren für den Beschäftigungsaufbau sehen die Unternehmen neben konjunkturellen Faktoren in politischen Risiken. Dazu gehören die Einführung von Mindestlöhnen, steigende Sozialbeiträge und eine stärkere Regulierung der Zeitarbeit. Hinzu kommen hohe Lohnzuwächse und der Fachkräftemangel.

Die positiven Beschäftigungspläne der Unternehmen zeigen, dass die Spielräume für eine nochmalige deutliche Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf knapp unter drei Prozent schon jetzt vorhanden sind. Hier bedarf es keiner Prüfaufträge mehr, sondern klarer Entscheidungen. Außerdem spült der Aufschwung über die kalte Progression zusätzliche Steuern in die öffentlichen Kassen. Grundfreibetrag und Tarifverlauf müssen deshalb angepasst werden, um den staatlichen Griff in die privaten Portemonnaies zu bremsen. Hier ist eine Entlastung schon ab 2009 möglich.

Konjunkturverlangsamung, kein Einbruch

Die Lage der deutschen Wirtschaft hat sich im Frühsommer nach hervorragenden Vorumfragewerten verschlechtert. Es besteht aber noch kein Anlass für einen Abgesang auf die deutsche Konjunktur: Immerhin 37 Prozent der Unternehmen sprechen von einer guten geschäftlichen Lage, 49 Prozent von einer befriedigenden Situation. Lediglich 13 Prozent konstatieren eine schlechte Geschäftslage (Saldo aus „Gut“- und „Schlecht“-Antworten: 24 Punkte). Die Unternehmen schätzen ihre Geschäftslage damit immer noch besser ein als im Zeitraum zwischen Vereinigungsboom 1991 und Sommer 2006.

Anders bei den Geschäftserwartungen: Hier liegen aktuell die Optimisten nur noch sechs Punkte vor den Pessimisten, in der Vorumfrage betrug diese Differenz noch zehn Punkte, vor einem Jahr 24 Punkte. Der Erwartungssaldo erzielt damit den schlechtesten Wert seit Herbst 2005 (plus drei Punkte).

Ursächlich für das eingetrübte Erwartungsbild ist die Stimmungsverschlechterung in der exportgeprägten Industrie sowie angrenzender Branchen wie Logistik oder unternehmensnahe Dienstleistungen. Immerhin sorgen die noch immer aufwärts gerichteten Investitions- und Beschäftigungspläne in diesen Bereichen für eine Stärkung der Binnenwirtschaft: Der Bau profitiert von andauernden Aufträgen gewerblicher und öffentlicher Bauherren und verbessert seinen Erwartungssaldo. Einzelhandel, Gastgewerbe und personennahe Dienstleister rechnen nicht mit weiteren Rückfällen bei ihren Geschäften – die verbesserte Arbeitsmarktsituation dürfte die Verbraucherstimmung etwas stabilisieren, mit hohen Steigerungsraten rechnen sie allerdings nicht.

Exporterwartungen: Skepsis wächst
Einen Beleg für das schwieriger eingestufte Außengeschäft liefern die Exporterwartungen der Industrieunternehmen: Der Saldo aus „Besser“- und „Schlechter“-Meldungen (26 Punkte) sinkt immerhin um 10 Prozentpunkte gegenüber Jahresbeginn – die stärkste Eintrübung seit vier Jahren. Die Exporterwartungen befinden sich damit freilich noch knapp über dem langjährigen Durchschnitt (Saldo: plus 24 Punkte).

Der starke Euro, das Abflauen der Weltkonjunktur sowie Rekordstände beim Ölpreis setzen den Unternehmen weniger zu, als das in ähnlicher Konstellation früher zu erwarten gewesen wäre. Eine Begründung ist, dass heimische Exporteure gerade in den wachstumsstarken Ländern hervorragend positioniert sind, die weiterhin eine hohe Nachfrage nach Investitionsgütern entfalten – unserem Exportprodukt Nummer eins. An erster Stelle sind hierbei die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) zu nennen, aber auch andere, insbesondere rohstoffreiche Länder. Ein Gutteil der gestiegenen Rohstofferlöse dieser Länder fließt somit über steigende Exporte wieder zurück. In vielen dieser Länder hat die deutsche Industrie zuletzt stark investiert – und festigt damit ihre Marktposition. Zudem hat die Industrie frühzeitig in energieeffiziente Technik investiert. In Zeiten stark steigender Rohstoffpreise verschafft das Wettbewerbsvorteile.
Investitionsaufschwung und Beschäftigungsbelebung setzen sich fort

Noch hat sich die Investitionsneigung der Unternehmen nicht in dem Maße verringert, wie es die Geschäfts- und Ausfuhrerwartungen vorgegeben haben. Jeder fünfte Betrieb will zwar seine Investitionsausgaben einschränken, doch immer noch 26 Prozent wollen ihr Investitionsbudget ausweiten. Damit verringert sich der Saldo (plus sechs Prozentpunkte) um drei Punkte gegenüber Jahresbeginn; liegt aber immer noch deutlich über dem langjährigen Mittel (minus 8 Punkte). Der Investitionsaufschwung setzt sich, wenn auch verlangsamt, fort. Insbesondere die größeren Industrieunternehmen wollen sich für die Zeit nach der finanzmarkt- und rohstoffpreisbedingten Irritationsphase mit Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen rüsten.

Nicht nur die Investitionspläne, auch die Beschäftigungsabsichten der Unternehmen bleiben vergleichsweise hoch. Der Saldo (plus sechs Punkte) bleibt gegenüber Jahresbeginn (Saldo: plus sieben Punkte) weitgehend stabil, was angesichts der Verschlechterungen bei den Erwartungsfragen bemerkenswert ist. Motor des Beschäftigungsaufbaus für die kommenden zwölf Monate ist der Dienstleistungssektor (Saldo: plus 10 Punkte), gefolgt von der Industrie (Saldo: plus 8 Punkte). Dabei wird es für die Industriebranchen und die angrenzenden Dienstleister immer schwieriger, geeignetes Fachpersonal zu finden. Binnenorientierte Branchen wie der Handel oder das Baugewerbe verbessern ihre – per Saldo aber immer noch deutlich schlechteren – Beschäftigungspläne moderat. Darin spiegelt sich auch die Hoffnung auf einen leicht anziehenden Konsum wider.

Dem traditionellen Konjunkturmuster zufolge – d.h. dann wenn gestiegene Investitionen die Beschäftigung angeregt haben – hätte der inländische Konsum aber schon längst zum Standbein werden müssen. Doch die Kaufzurückhaltung löst sich auch in den kommenden zwölf Monaten kaum auf: Zum einen steckt die Mehrwertsteuererhöhung noch immer in den Knochen; zum anderen schrecken die jüngsten Verbraucherpreissteigerungen vor zusätzlichen Käufen ab. Die Politik tut aktuell ihr Übriges – wie der Blick auf die Kfz-Industrie zeigt: Deren Geschäftserwartungen haben sich deutlich verschlechtert, die Exportaussichten zeitgleich aber sogar verbessert. Das weist auf schlechtere Inlandsgeschäfte hin.

 

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