Finanzen Markt & Meinungen Startseite

 

Im Fokus: Präventive Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung im Unternehmen

Nürnberg, 15.06.2008 11:32 Uhr (redaktion)

Interview zum Thema des Monats: Compliance. Die Schlagzeilen über korruptes Verhalten bzw. über die Duldung und Förderung desselben von einfachen Mitarbeitern, Managern bis in die Vorstandsetagen einerseits und über zum Teil gesetzeswidrige Überwachungspraktiken von Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen andererseits reißen zurzeit nicht ab – Diskussionen darüber, wie viel an Kontrolle und Überwachung ein Unternehmen in seiner Unternehmensorganisation umsetzen kann, darf und muss, werden derzeit intensiv geführt.

Wir freuen uns, dass wir diese und weitere Fragestellungen zum Thema Corporate Compliance mit unserer Expertin zum Thema, Frau Saskia Bonenberger, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin, ausführlich diskutieren können.

Saskia Bonenberger ist Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Diplom-Kauffrau, Diplom-Finanzwirt sowie Partnerin bei Rödl & Partner und leitet den Bereich „Prävention & Verteidigung“ im Stammhaus in Nürnberg.

Frau Bonenberger, meinen Sie nicht auch, dass das Thema Korruption zurzeit arg überstrapaziert wird und dass das normale, durchschnittliche mittelständische Unternehmen davon gar nicht in dem Ausmaße betroffen ist, wie die aktuelle Berichterstattung in den Medien glauben machen will?

Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass die aktuelle Berichterstattung sich vorwiegend auf große börsennotierte Aktiengesellschaften richtet und der Mittelstand nur sehr zögerlich auf die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen reagiert. Mit rechtlichen Rahmenbedingungen meine ich einerseits die rechtlichen Grundlagen, sprich Gesetze, aber auch die tatsächliche Durchführung, die Ahndung durch die Strafermittlungsbehörden. Eine börsennotierte Aktiengesellschaft kann ihren Vorstand austauschen, ein eigentümergeführtes mittelständisches Unternehmen in der Regel nicht.

Seit wann interessieren Sie sich denn für das Thema Compliance? Gab es denn Fehlverhalten in Unternehmen nicht auch schon früher?
Der Begriff „Compliance“ wird in der deutschen Literatur erst seit kürzerer Zeit verwendet. Insofern interessiere ich mich für diesen Bereich schon wesentlich länger, als es den Begriff „Compliance“ gibt. Fehlverhalten in Unternehmen gab es immer, gibt es und wird es immer geben. Die Frage ist vielmehr, welche Folgen hat ein solches Fehlverhalten für ein Unternehmen und wie wichtig ist es, dieses abzustellen.

Kennen Sie verlässliche Zahlen darüber, wie Unternehmer die Bereitschaft der Behörden einschätzen, gegen Delikte wie Bestechung, Betrug bzw. Unterschlagung und Kartellverstöße vorzugehen? Welcher Schluss kann aus dieser Einschätzung der Unternehmer gezogen werden?
Es gibt verschiedene Statistiken darüber, wie Unternehmer die Bereitschaft der Behörden einschätzen. Wenn man diese im Zeitablauf miteinander vergleicht, wird man sicherlich feststellen, dass die Einschätzung, dass Behörden konsequent gegen betrügerische Handlungen vorgehen, gestiegen ist. Insofern kann der Schluss gezogen werden, dass die Unternehmer eine erhöhte Risikolage wahrnehmen.

Warum reicht es heute nicht mehr aus, bei einem begründeten Verdachtsmoment den aktuellen Vorfall untersuchen zu lassen, ihn aufzuklären, eine Lösung dafür zu erarbeiten und im Unternehmen zu installieren?
Dieses Vorgehen nenne ich das klassische Oldtimer-Modell, das leider nach wie vor große Verbreitung gerade im Mittelstand erfährt. Präventives, systematisches Vorgehen oder gar das Einführen von Complianceansätzen ist im Mittelstand bisher nur vereinzelt verbreitet. Es reicht jedoch leider nicht mehr aus, so vorzugehen, und dieses wird gerade im Bereich von Korruptionsdelikten sehr deutlich. Ein begründetes Verdachtsmoment für die Führung taucht erst auf, wenn die interne Revision oder die Staatsanwaltschaft, die Presse oder ein Kunde usw. den Vorfall an das Tageslicht gebracht haben. Wenn mehrere solcher Taten im Unternehmen begangen wurden, ist es ein viel zu später Zeitpunkt, jetzt dagegen vorzugehen. Die Einhaltung von Gesetz und internen Richtlinien einzufordern, ist jedoch Führungsaufgabe, die ernst genommen werden und in mehreren Schritten erfolgen muss und damit die sicherste Gewährleistung dafür bietet, dass rechtzeitig auf Risiken reagiert werden kann. Oder frei nach dem Motto: Wenn sich die Rechtslage für Bestechung seit 1999 geändert hat, muss man dann erst warten, bis die ersten Fälle durch die Staatsanwaltschaft aufgedeckt werden? Klug handelt der, der bei geänderter Rechtslage sofort seine Praxis umstellt und somit, wenn eine große Welle an Ermittlungsmaßnahmen kommen wird, keine Probleme mit strafrechtlicher Relevanz im Unternehmen mehr aufzuweisen hat. Diese Veränderung im Gesetz in der Strafvollzugspraxis im In- und Ausland im Griff zu haben, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die jedoch langfristig großen Gewinn bedeutet.

Inwieweit steht die Geschäftsleitung eines Unternehmens in der Verantwortung, mit eindeutigen Vorgaben für eine klare Führungsansage zu sorgen?
Die klare Führungsansage ist Aufgabe der Geschäftsleitung. Sie lässt sich nicht delegieren, und nur wenn diese in entsprechender klarer Form schriftlich und durch tatsächliche Handlungen und Vorbildfunktion erfolgt, gelingt ein Compliance-Projekt, das die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben in allen Unternehmensbereichen gewährleistet.

Corporate Compliance – was kann man sich nun konkret darunter vorstellen?
Corporate Compliance zielt darauf ab, gesetzliche und im Unternehmen selbst gebildete Vorgaben einzuhalten, um die Haftung oder auch Nachteile für das Unternehmen und seine Mitarbeiter zu verhindern bzw. zu vermeiden. Letztendlich ist dies gerade in mittelständischen Unternehmen notwendig, um die Gesellschaftergeschäftsführer, die ja gerade nicht frei austauschbar sind, nachhaltig vor strafrechtlichen und anderen rechtlichen Risiken zu schützen und somit den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern.

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Beschreiben Sie uns doch einmal den klassischen Täter, der in der Lage ist, dem Unternehmen einen maximalen Schaden zuzufügen? Entspricht dieser Täter dem klassischen Fernseh-Krimi-Klischee oder sieht der Täter am Ende ganz anders aus?
Wir neigen dazu, uns von Tätern deutlich abzugrenzen, sie in eine andere Ecke zu stellen und durch das Behaupten, mit ihnen nichts zu tun haben zu wollen, das Problem erledigt zu haben. Dies ist jedoch nicht so. Täter sind unter uns, sie sind manchmal wir selber, und die Statistik zeigt, dass der durchschnittliche Täter männlich ist, zwischen 35 Jahren und 45 Jahren, verheiratet, zwei Kinder und eine hervorragende Ausbildung hat, völlig unauffällig ist und über sehr gute Kontakte und Netzwerke verfügt. Die spannendsten Krimis sehen wir nicht im Fernsehen, sie finden tagtäglich in unserem Leben statt, nur bemerkt man sie oft nicht.

Wie wird denn nun im Unternehmen das kriminelle Verhalten der Mitarbeiter am ehesten aufgedeckt?

Der größte Aufdecker von Straftaten, oder nennen wir es etwas harmloser Unregelmäßigkeiten, ist der Zufall.

Welche Empfehlungen können Sie einem Unternehmen aussprechen, sich effektiv gegen Verstöße seiner Mitarbeiter zu schützen, ohne gleich Unmengen an finanziellen Mitteln in die Hand nehmen zu müssen?
Die Zufälle zu systematisieren und etwas zu lenken, ist ebenfalls eine der Möglichkeiten eines guten Corporate-Compliance-Systems. Eine offene hierarchieübergreifende, freundliche Unternehmenskultur ist dabei die wichtigste Grundlage. Dazu sind eine gute Kommunikationsabteilung und die Vorbildfunktion der Führung unerlässlich. Für die Fälle, wo all das auch nicht hilft, sich also einzelne Personen derart über interne Vorgaben hinwegsetzen und ihre Mitarbeiter unter Druck setzen, hilft nur ein sogenanntes Whistleblowing-, ein Hinweisgeber-System. Ein Whistleblowing-System sollte jedoch niemals etabliert werden, ohne dass man gleichzeitig dafür sorgt, dass die offene und freundliche Unternehmenskultur gestärkt ist. Die effektivste Art ist eine Vertrauenskultur im Unternehmen, die die oben angesprochene freundliche und offene Unternehmensatmosphäre fördert und fordert; diese kostet grundsätzlich sehr wenig. Dazu eine interne Revision, die über die Kontrolle hinaus prozessverbessernde Vorteile für die einzelnen Abteilungen erarbeitet und begleitet sowie die Etablierung eines Whistleblowing-Systems. Die freundliche und offene Unternehmenskultur einerseits ist jedoch gepaart mit einer konsequenten unnachgiebigen Haltung bei klaren Verstößen andererseits.

Wie muss Ihrer Meinung nach eine Unternehmenskultur aussehen, die Mitarbeiter davon abhält, das eigene Unternehmen und letztendlich sich selbst zu schädigen?

Eine offene Unternehmenskultur, die von Aufrichtigkeit und Offenheit geprägt ist, ist immer auch von Transparenz begleitet. Diese Transparenz ergibt sich in der Personalauswahl und -entwicklung, sprich Beförderung, Anpassung der Gehälter, in einem Hilfsangebot der Mitarbeiter in schwierigen und kritischen Situationen, beispielsweise bei finanziellen Problemen, Drogensucht Familienangehöriger oder der Mitarbeiter selbst, um nur einige Beispiele zu nennen. Letztendlich ist es das Interesse an den Menschen, die im Unternehmen arbeiten. Nach meiner Erfahrung haben sich Mitarbeiter, die sich bedient haben, in vielen Fällen schon seit einiger Zeit innerlich verabschiedet und über ihre sozialen oder privaten Themen in ihrem Arbeitsumfeld nicht mehr gesprochen.

 

» Zur Startseite von Finanzen Markt & Meinungen