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Mittelstand und Corporate Compliance - Interview zum Thema des Monats

Nürnberg, 16.10.2007 16:47 Uhr (FS)

Corporate Compliance (Verhaltenskodex für gesetzmäßiges und verantwortungsbewusstes Handeln) -Maßnahme zur Erhöhung des Unternehmenswertes oder neuer Kostentreiber bei mittelständischen Unternehmen?

Corporate Compliance - ein spannendes Thema, das in letzter Zeit von der Presse im häufiger aufgegriffen und von einigen Unternehmen äußerst imagewirksam verwendet wird. Corporate Compliance hat sich aber auch und gerade im Bereich Risikomanagement erwiesenermaßen als das probate Mittel erwiesen, um unternehmensspezifische Risiken aufzudecken, zu managen und damit in der Folge wesentlich zu reduzieren oder sogar gänzlich zu vermeiden.

Rödl & Partner hat Anfang des Jahres zusammen mit Herrn Professor Dr. Axel Jäger von der Fachhochschule Frankfurt, Fachbereich Wirtschaft und Recht, Institut für Entrepreneurship sowie Institut für Management und Recht ein Kompetenzcenter Corporate Compliance ins Leben gerufen. Wir sprachen nachfolgend mit einer kleinen Auswahl von Mitgliedern des Kompetenzcenters über das Thema Corporate Compliance.

Unsere Interview-Partner waren Herr Rechtsanwalt José Campos Nave, Leiter des Kompetenzcenters Corporate Compliance bei Rödl & Partner, Frau Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Saskia Bonenberger, zuständig für Prävention und Haftungsabwehr, Herr Steuerberater Georg Beyer, zuständig für Risikofrüherkennung und Risikomanagement, Durchführung von Sonderprüfungen sowie prüfungsnahe Beratungsleistungen und Herr Rechtsanwalt Dr. Jörg Reichelsdorfer, zuständig für Vertragsgestaltung in Vertrieb und Einkauf und für Kartellrecht.

Diskriminierungsschutz, Anleger- und Kapitalmarktschutz, Verbraucher- und Wettbewerbsschutz, Arbeitnehmer- und Datenschutz, Paradigmenwechsel im Kartellrecht. Dies sind nur einige wenige Stichworte, hinter denen sich der Aktionismus des Gesetzgebers verbirgt. Der Gesetzgeber schafft durch das beständige Fort- und Weiterentwickeln von Rechtsnormen neue Risiken für die Unternehmen sowie für ihre Leitungsorgane (allen voran Geschäftsführer und Vorstand) und Aufsichtsorgane (wie Beirat und Aufsichtsrat). Was bedeutet dies für die gesetzmäßigen Anforderungen an diese Gruppe?
Für die geschäftsführenden Organe deutscher Kapitalgesellschaften lässt sich bereits aus deren allgemeiner Sorgfaltspflicht ableiten, dass diese alles zu unternehmen haben, um rechtliche Risiken von der Gesellschaft abzuwenden. Neue gesetzliche Regelungen schaffen insoweit nicht immer grundsätzliche „Neuerungen“ bei der Haftungskonstellation, wohl aber deutliche Verschärfungen für die Unternehmen und die beteiligten Unternehmensorgane.

Corporate Compliance - geht das nur die im Dax 30 notierten Aktiengesellschaften etwas an?
Die vorgenannten Rechtsnormen gelten hierbei selbstverständlich nicht nur für große kapitalmarktorientierte Gesellschaften, sondern seit Anbeginn auch für mittelständische Unternehmen und deren Aufsichts- beziehungsweise Geschäftsführungsorgane. Bei einer Suche mit Google zum Stichwort „Corporate Compliance“ offenbart sich eine Vielzahl von Treffern zum Bereich „IT-Compliance“. Auch bei einer Recherche in mittelstandsorientierten Publikationen findet sich immer wieder die Problematik der „IT-Compliance“. Dabei vermag der Eindruck entstehen, Corporate Compliance würde sich lediglich im Bereich der IT-Compliance erschöpfen. Der Unternehmer, der dieser Ansicht anhaftet, geht jedoch fehl in der Betrachtungsweise, denn nicht nur im IT-Bereich gilt es rechtliche Handlungsnormen zu beachten, Risiken zu erkennen und Risikofrüherkennungssysteme zu implementieren. Vielmehr sind alle Bereiche des Unternehmens an die geltenden, sich laufend verändernden Rechtsregeln anzupassen. Gerade solche mittelständischen Unternehmen, die bislang kein erhöhtes Haftungspotential erkannten, stimmten bei einer kritischen Nachfrage zu, dass vermehrt im Rahmen von Rating-Bewertungen das Vorhandensein von Risikofrüherkennungs- und Risikomanagementsystemen eine entscheidende Rolle in der jeweiligen Rating-Qualifizierung spielte.

Ist Corporate Compliance nur dazu da, Haftungsrisiken im Unternehmen zu erkennen?
Corporate Compliance ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt Haftungsvermeidung, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung des eigenen Ratings sowie der Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu betrachten. Insoweit kann Corporate Compliance einen sinnvollen und nachhaltigen Beitrag dazu liefern, die eigene Wettbewerbskraft des Unternehmens im Markt zu festigen und zu steigern. Hierzu reicht es insbesondere auch für mittelständische Unternehmen nicht aus, einzelne Corporate Compliance-Maßnahmen im Unternehmen umzusetzen, um lediglich die akuten Probleme zu beseitigen. Die Einsparungen des mittelständischen Unternehmers auf dieser Ebene stellten sich bei näherer Betrachtung wohl eher als Risiko für eine rechtssichere unternehmerische Zukunft dar. Der unternehmerische Weitblick ist auch bei dieser Betrachtungsweise eine besondere Form der „Liquidität“ des Unternehmens. Statt vereinzelte Risikominimierungsmaßnahmen zu ergreifen, ist es vielmehr ratsam, eine funktionierende Corporate Compliance-Organisation im Unternehmen aufzubauen. Dies gilt gerade auch für den deutschen Mittelstand, da dessen Unternehmen viel wendiger und innovativer agieren können als multinationale Konzerne. Wenn es gelingt, zusammen mit den wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerrechtlichen Beratern am Puls der Zeit zu bleiben und die sich vielfältig ändernden Rahmenbedingungen frühzeitig als Chance zu begreifen und im gesamtunternehmerischen Prozess umzusetzen, lässt sich durch dieses aktive Agieren ein nicht zu vernachlässigender Vorsprung im Wettbewerb erzielen. Auch dazu ist eine Corporate Compliance-Organisation im Unternehmen da.

„Aufbau einer Corporate Compliance-Organisation“ - das klingt nach einfach einer weiteren von außen aufgezwängten Maßnahme, die im Zweifel nur Geld kostet. Was soll man sich darunter vorstellen?
Die von der modernen Gesetzgebung geforderte professionelle Corporate Compliance-Organisation beruht auf dem Gedanken eines funktionierenden Risikomanagements im Unternehmen. Einbezogen werden neben den bestandsgefährdenden Risiken vor allem auch diejenigen Risiken, die grundsätzlich eine Haftung der Gesellschaft auslösen können. Ihre Identifizierung und Kommunikation gegenüber den verantwortlichen Unternehmensleitern schärft bei diesen das Bewusstsein für die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Entscheidungen und Strategien, ohne ihnen den unverzichtbaren unternehmerischen Handlungsspielraum zu nehmen. Die Implementierung einer Corporate Compliance-Organisation ist damit ein wichtiger Baustein zur ordnungsgemäßen Corporate Governance.

Bei professioneller Gestaltung, Durchführung und Fortentwicklung kann die Corporate Compliance-Organisation als offensives Mittel zur Positionierung des Unternehmens bei Banken, Kunden und Lieferanten eingesetzt werden und zum guten Ruf des Unternehmens beitragen, der sich auf Marken und Produkte und damit langfristig auch auf das Unternehmensergebnis überträgt.

Die Zielsetzung der Unternehmenslenker und deren Aufsichtsorgane sollte es daher sein, eine unternehmensbezogene leistungsfähige Corporate Compliance-Organisation zu entwickeln und im Unternehmen zu implementieren. Sicherlich eine Investition mit Weitblick, die sich insbesondere für den mittelständischen Unternehmer auszahlen wird.

Nochmals konkret: Welche Bereiche sind von einer Corporate Compliance-Maßnahme betroffen und wie kann ich gerade auch als Mittelständler hier effizient vorgehen? Ist es ein reines Rechtsanwaltsthema?
Betroffen von einer solchen Maßnahme sind alle Prozesse und Bereiche eines Unternehmens. Es geht zu kurz anzunehmen, Corporate Compliance sei ein rein rechtliches Thema. Eine wertschöpfende und wertsteigernde Corporate Compliance-Maßnahme betrachtet gerade die Prozesse im Unternehmen, die Geschäftsabläufe, das Reporting, und alle sonstigen betriebswirtschaftlichen Maßnahmen. Gerade aus diesem Grund ist ein multidisziplinäres Beratungshaus wie Rödl & Partner eine gute Wahl, wenn das Unternehmen die aus unserer Sicht zwingende externe Hilfe bei der Implementierung und laufenden Kontrolle einer Corporate Compliance-Organisation in Anspruch nimmt. Nicht umsonst besteht das Kompetenzcenter Corporate Compliance Rödl & Partner aus Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern. Darüber hinaus arbeitet Rödl & Partner sehr eng mit einigen der namhaften Koryphäen aus Wissenschaft und Lehre im Bereich Corporate Compliance zusammen.

Können Sie uns einige wenige konkrete Beispiele nennen, an Hand derer durch die Durchführung einer Corporate Compliance - Prüfung und die Implementierung einer Corporate Compliance - Organisation, kurzfristig, aber auch mittel- und langfristig eine signifikante Wertschöpfung für ein mittelständisches Unternehmen nachgewiesen werden konnte?
Mit einer von uns durchgeführten Corporate Compliance-Beratung geht immer eine Prüfung der bestehenden Situation im Unternehmen, ein sogenanntes Audit, einher. Im Rahmen dieser Audits lassen sich viele Punkte erkennen, welche teilweise mit geringem Aufwand behoben werden können, jedoch nachhaltig den Umsatz und Ertrag steigern oder die Kosten erheblich reduzieren. Denken Sie im rechtlichen Bereich an die Haftungsrisiken der einzelnen Organmitglieder, die wir mit gezielten Maßnahmen erkennen, reduzieren oder gar beseitigen können. Aber auch viel einfacher und unmittelbarer lässt sich Geld einsparen: Die Überprüfung von Handelsvertreterverträgen im Bereich Vertrieb eines mittelständischen, international tätigen Unternehmens ergab zum Beispiel, dass durch einen kleinen Zusatz bei der Rechtswahlklausel in nur vier Verträgen ein Abfindungsrisiko von über EUR 550.000,00 beseitigt werden konnte. Die Bereiche Wirtschaftsprüfung und Consulting befassen sich insbesondere mit der Implementierung und Weiterentwicklung von Systemen zur prospektiven Risikofrüherkennung und prozessorientierten Risikoüberwachung – denn das Risiko, das durch ein überlegtes, auf solides Faktenwissen basierendes Handeln erst gar nicht zu einem materiellen oder immateriellen Schaden führt, trägt maßgeblich dazu bei, das Unternehmensergebnis zu optimieren. Sonderprüfungen helfen dabei, unternehmensindividuelle Versäumnisse und Vergehen einzelner Personen oder Personengruppen aufzudecken und im Rahmen der unternehmerischen Zielvorgaben zu beseitigen. Auch diesbezüglich können nach unserer Erfahrung durch einzelne gezielt miteinander abgestimmte Maßnahmen fünf- bis sechsstellige Summen in einem einzigen Geschäftsjahr eingespart werden. Im Bereich Prävention & Verteidigung ist beispielsweise die richtige Organisation der Einkaufs- und Verkaufsabteilung eines Handelsunternehmens in Bezug auf Korruptionsprävention ein Thema, das enorm an Bedeutung zunimmt. Nicht umsonst wird im deutschen Mittelstand so ganz langsam über Whistleblowing gesprochen und welche Chancen dieses bieten kann, um Unterschlagung und Betrug im Unternehmen zu vermeiden. Hier stehen sowohl hohe Summen, strafrechtliche Konsequenzen, als auch das Image des Unternehmens auf dem Spiel.

Die Redaktion bedankt sich für das Gespräch!

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Kontakt für weitere Fachinformationen:

José A Campos Nave
Jose A Campos Nave

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, EMBA (Accounting & Controlling) Niederlassungsleiter.
Telefon: 06196/7 61 14-702
Email:jose.campos-nave@roedl.com

 

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