Nürnberg, 15.10.2007 10:10 Uhr (Prof. Dr. Dr. habil Enno Weiß)
Sich verschlechternde wirtschaftliche Rahmenbedingungen führen nicht selten dazu, dass Unternehmenskredite nicht mehr plangemäß bedient werden. Um eine Insolvenz des Unternehmens mit negativen Folgen für alle Beteiligten zu vermeiden, konstituiert sich in der Regel aus den verschiedenen Kreditgebern ein sogenannter Bankenpool, innerhalb dessen die Interessen der Kreditgeber mehr oder weniger gleichgerichtet vertreten werden.
Aber nützt ein solcher Bankenpool auch immer dem betroffenen Unternehmen, werden die Interessen, Chancen und Risiken des angeschlagenen Unternehmens in einer der Situation angemessenen Weise berücksichtigt? Wir meinen: Nein! In vielen Fällen gerät das sich in Zahlungsschwierigkeiten befindende Unternehmen geradezu zwangsläufig in einen Teufelskreis aus Fremdbestimmtheit, kurzfristigem und -sichtigem Aktionismus sowie zunehmender Verschuldungsabhängigkeit, aus dem es sich mit eigener Kraft nicht mehr befreien kann (Schuldenfalle!).
Gerade deshalb wollen wir mit diesem Beitrag unser Augenmerk auf die rechtzeitige und langfristige Neustrukturierung der Passivseite der Bilanz eines mittelständischen Unternehmens richten und dabei den direkten Zusammenhang mit unternehmenswertsteigernden Innovations-und Wachstumsstrategien aufzeigen.
Der erste Teil dieser Darstellung beschäftigt sich mit dem idealtypischen Ablauf eines solchen Refinanzierungsprojektes, im zweiten Teil im nächsten Monat werden wir ausführlich auf Vor- und Nachteile einzelner Finanzierungsformen eingehen sowie die Frage beantworten, wie sich ein Unternehmen durch eine geschickte Refinanzierung aus der Schuldenfalle befreien kann. In einem dritten Teil dieser Artikelserie wollen wir von unseren Erfahrungen in solchen Finanzierungsprojekten berichten.
Der Finanzierungsauftrag
Grundsätzlich kommen bei einer Neugestaltung der Refinanzierung eines Unternehmens diverse unterschiedliche Finanzierungsinstrumente auf der Passivseite in ihren verschiedensten Ausprägungen in Frage, die immer einen Eigenkapital-, Fremdkapital- oder einen sogenannten Hybridcharakter aufweisen. Die betroffenen Unternehmen sind gut beraten, einen solchen Finanzierungsauftrag an einen dafür ausgebildeten Spezialisten zu erteilen. Im Folgenden stellen wir ausführlich dar, wie eine solche Suche nach einem geeigneten Refinanzierungsinstrument und dem damit verbundenen Finanzinvestor in der Regel ablaufen wird.
Der idealtypische Ablauf der Projektphase einer Refinanzierung
Die Projektphase eines solchen Finanzierungsauftrages zur Vermittlung eines geeigneten Finanzierungsinstrumentes gliedert sich idealtypischer Weise in eine interne und eine externe Phase. Die interne Phase beinhaltet fünf verschiedene Abschnitte:
- Erstellung einer aussagekräftigen Informationsschrift („Information Memorandum“): Es enthält alle notwendigen Daten für einen potentiellen Finanzinvestor, um ein erstes Interesse bekunden zu können, an Managementpräsentationen teilnehmen und daraufhin ein zunächst unverbindliches Finanzierungsangebot abgeben zu wollen;
- Erstellung detaillierter Unternehmensplanungen möglicher Finanzierungsmodelle bzw. Beteiligungsszenarien;
- Erstellung von individualisierten Kurzdarstellungen (anonymisierte „Short Profiles“), die bei der Erstansprache eines potentiellen Finanzinvestors verwendet werden, um dessen grundsätzliches Interesse zu verifizieren;
- Ermittlung potentieller Interessenten zunächst aus einem Kreis unternehmerisch orientierter Finanzdienstleister (aus Deutschland, aus dem europäischen Ausland, aber auch aus den USA);
- Zusammenstellung aussichtsreicher „Kandidaten“ („Long List“) mit gemeinsamer Festlegung von Prioritätsdaten („Short List“) zur Auswahl der zuerst anzusprechenden Finanzinvestoren.
Wir empfehlen dringend, die aufgeführten Informationsschriften „Information Memorandum“ sowie das „Short Profile“ von einem entsprechend geschulten und erfahrenen Berater erstellen zu lassen, da dieser die Informationsbedürfnisse und -erwartungen potentieller Finanzinvestoren sehr genau kennt, im Vorfeld bereits die „richtigen“ Fragen an das Unternehmen stellen kann und diejenigen Dokumente einsammelt bzw. erstellen lässt oder auch im Zweifelsfalle selbst erstellt, die im Rahmen eines Refinanzierungsprozesses zu bestimmten Zeitpunkten einfach vorhanden sein müssen. Dadurch werden Missverständnisse und Doppelarbeiten vermieden, eine auch engagiert zu nennende Zeitplanung kann somit leicht eingehalten werden. Zudem kann ein solcher Spezialist bereits vor Ansprache externer Interessenten Schwachstellen bezüglich interner Prozesse oder Reportingfunktionen aufdecken und kurzfristig Schritte zur Verbesserung einleiten.Die anschließende externe Phase gliedert sich in folgende Abschnitte:
- Kontaktaufnahme mit den Prioritätskandidaten aus dem Finanzinvestorenkreis und Präsentation des Projektes anhand der individuellen Kurzdarstellung („Short Profile“);
- Im Falle eines ernsthaften Interesses des Finanzinvestors Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung sowie anschließende Übersendung der Kurzdarstellungen und des „Information Memorandum“;
- Organisation und Durchführung einer ersten Runde von Management-Gesprächen zur Klärung wichtiger Fragen als Ergänzung zum Information Memorandum mit dem Ziel der Abgabe eines unverbindlichen Angebotes durch den Finanzinvestor;
- Gegebenenfalls Organisation und Durchführung einer zweiten Runde von Management-Gesprächen, sofern aufgrund der ersten Runde nicht schon ausreichende Angebote zur Verfügung stehen sollten;
- Auswahl derjenigen Kandidaten (mindestens drei), mit denen intensivere Verhandlungen geführt werden sollen; Abschluss einer Absichtserklärung („Letter of Intent“) und Vereinbarung einer Exklusivitätsphase bis zum Abschluss eines Finanzierungsvertrages;
- Durchführung von sogenannten Sorgfaltsprüfungen („Due Diligences“ – Legal, Financial, Tax, Commercial, Technical, Environmental) durch beauftragte Rechtsanwälte und Steuerberater/Wirtschaftsprüfer sowie gegebenenfalls Einholung einer erforderlichen Zustimmung von Behörden, um einen zeitnahen und rechtswirksamen Abschluss der Transaktion („Closing“) herbeizuführen;
- Vertragsverhandlungen unter Einbeziehung der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (gegebenenfalls aller Vertragsparteien) bis hin zum Vertragsabschluss („Signing“);
- Kommunikation der getroffenen Maßnahmen gegenüber Mitarbeitern, Dritten sowie gegenüber den bisher kreditgebenden Banken;
- Überwachung der notwendigen Maßnahmen zur Einholung von Gremienvorbehalten und/oder der Zustimmung von Behörden, um einen zeitnahen und rechtswirksamen Abschluss der Transaktion herbeizuführen.
Ein guter Finanzberater hat eine große Auswahl verschiedener Finanzierungspartner mit den unterschiedlichsten Instrumenten an der Hand, die er unmittelbar aus früheren Transaktionen sehr gut kennt und die aus seiner Kenntnis heraus den zum Teil sehr speziellen Anforderungen des Unternehmens Genüge leisten. Er nimmt den verantwortlichen Geschäftsführern im Unternehmen wesentliche Teile der Vorarbeit ab, managt den Auswahlprozess, trägt die angeforderten Unterlagen zusammen, bereitet diese gegebenenfalls mit den Mitarbeitern des Unternehmens professionell auf, erstellt aussagekräftige Präsentationen, moderiert die Finanzierungsgespräche und fasst die Ergebnisse dieser Präsentationen zusammen. Gemeinsam mit der Geschäftsführung des Unternehmens werden die jeweiligen Finanzierungsangebote im Einzelnen diskutiert und entsprechend einer festgelegten Prioritäten- und Kriterienliste bewertet.Führen die ersten Gespräche nicht zu dem gewünschten insbesondere auch finanziellen Erfolg, weil z. B. die angebotenen Konditionen nicht oder noch nicht den Erwartungen der Unternehmensverantwortlichen entsprechen, wird der Finanzberater nach weiteren Finanzierungspartnern Ausschau halten und zu diesen Kontakt aufnehmen. Verschiedene Finanzierungsangebote sind insbesondere aufgrund der Tatsache wichtig, dass ein Bieterwettstreit um das günstigste Finanzierungsangebot sich durchaus positiv in den Finanzierungskonditionen niederschlagen wird. Schon allein dadurch wird ein guter Finanzierungsberater seine Kosten mehr als wettmachen. Darüber hinaus wird er die erforderlichen Due-Diligence-Prüfungen koordinieren und darauf achten, dass Doppelarbeiten vermieden und Zeitabsprachen entsprechend eingehalten werden. Er kennt zudem übliche Strategien der beteiligten Parteien zur jeweiligen Nutzenmaximierung und kann die Transaktion im Sinne seines Mandanten steuern.
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